«Der Kreuzberg ist ein Ort zum Sitzen bleiben, genau meine Welt»
Maria Vogel hört nach 46 Jahren als Wirtin des Kreuzberg in Dagmersellen auf. Der Nachfolger Walter Gloor ist eine Sternekoch und in der Region bekannt.
Wie schön waren die Zeiten, als Gäste in einem Restaurant ungezwungen die Gläser erheben und auf die Gesundheit oder ein gutes Gelingen anstossen konnten. In der Schweiz war dies offiziell am 22. Dezember 2020 zuletzt möglich. Wir wollen hier aber nicht wehmütig in der Vergangenheit schwelgen, sondern den Blick in die Zukunft richten. Im speziellen in jene des Restaurants Kreuzberg in Dagmersellen.
Die war bis vor kurzem noch ungewiss. Die langjährige Inhaberin und Wirtin Maria Vogel ist schon länger auf der Suche nach einem Nachfolger. Sie tritt am 30. Juni in den Ruhestand. Es ist ihr aber ein Anliegen, dass das Lokal im ähnlichen Stil weitergeführt wird, wie es die Stammgäste gewohnt sind. «Der Betrieb muss nicht um jeden Preis erhalten bleiben, aber so wie es jetzt aussieht, haben wir die ideale Besetzung gefunden», sagt die 77-jährige Frau.
Das neue Gesicht des Kreuzbergs lernten wir Mitte März kennen. Bei unserem Besuch stiessen wir exakt auf eingangs beschriebene Szene. In der gemütlichen Gaststube prosteten sich Maria Vogel und der künftige Gastgeber Walter Gloor zu. Der 60-jährige Gastronom aus Küngoldingen ist in der Region ähnlich verwurzelt wie Maria Vogel. Er agierte jedoch etwas weiter nördlich. Während zehn Jahren führte der Sternekoch das Gourmetrestaurant Federal in Zofingen, zuvor je vier Jahre das Gasthaus Rössli in Rothrist und das Felix in Zofingen. In den frühen 2000-er-Jahren war er zudem Geschäftsführer des Chateau Mosimann in Olten, das heute wieder wie zuvor «Säli Schlössli» heisst.
Zuletzt war Gloor jedoch nicht mehr Gastgeber, sondern während vier Jahren in der Entwicklung bei Le Patron in Böckten tätig. Nun zieht es ihn wieder an die Front. «Die Herausforderung als Koch war auch in der Laborküche immer da, aber mir fehlte einfach die Leidenschaft. Ich koche zu Hause sehr viel für Gäste. Ich bin eben ein Gastronom und nun kitzelt es mich wieder», beschreibt er seinen Entschluss, noch einmal einen Gastbetrieb zu übernehmen.
Allerdings will er aus dem «Chrüzer» kein Gourmetrestaurant machen. «Das Konzept von Maria werde ich weiterführen und etwas anpassen. Gordon-Bleu und Rinderfiletspitzen Stroganoff werden weiterhin auf der Karte zu finden sein, aber ich werde sie auch mit einigen asiatischen Gerichten ergänzen, wie etwa dem Rindfleischsalat, der im Federal sehr beliebt war. Und auch ein Wurstsalat mit Pommes Frites gehört auf eine Karte», erklärt Gloor.
Die beiden Gastronomen lernten sich erst im Dezember kennen, als Gloor einen Bekannten zu einem Apéro nach Dagmersellen begleitete. «Das wäre doch etwas für dich. Maria hört auf», habe der Kollege ihm gesagt. Ab diesem Tag war Gloor Stammgast im Kreuzberg und bald hat er sich entschieden, beruflich noch einmal Gastgeber zu werden. Er schwärmt: «Ich habe nach meinem ersten Besuch so oft hier gegessen. Es war immer super. Und vor allem bemerkte ich, dass viele Stammgäste des Federals auch Stammgäste von Maria sind.»
Und wie sehr sehnt sich Maria Vogel den Ruhestand herbei? Sie atmet tief durch und meint: «Einerseits gehe ich schweren Herzens, andrerseits bin ich erleichtert, weil klar ist, dass der Betrieb nun richtig weiterlebt.» Dann schwenkt sie zurück ins Jahr, als sie und ihr vor sechs Jahren verstorbener Ehemann Walter als Gastgeber angefangen haben. «Die Wirteprüfung legte ich am 7. Mai 1975 ab, am 12. Mai heirateten wir und am 15. Mai eröffneten wir das Restaurant. Nun, nach 46 Jahren kann man wohl schon etwas kürzertreten, nicht wahr?»
Die Frau ist eine Wirtin der alten Schule, die sich nach getaner Arbeit auch mal zu den Gästen an den Stammtisch setzte. Sie wurde als erste Gastronomin in Dagmersellen mit dem Kulturbazen, dem Anerkennungspreis der Gemeinde Dagmersellen, ausgezeichnet. Ganz weg ist sie aber nicht, da sie weiterhin in der Wohnung im Kreuzwerg bleibt.
Walter Gloor, der das Personal übernehmen wird, freut sich auf den neuen Lebensabschnitt. «Ich habe Respekt vor der Aufgabe. Maria macht einen super Job und sie ist eine Institution. Eine solche Beiz wie den Kreuzberg findet man heute kaum noch. Es ist ein Ort zum Sitzen bleiben. Das ist genau meine Welt.»